Die Überprüfung der Social-Media Präsenz eines Bewerbers, oder generell seines Internet-Auftritts, ist in aktuellen Einstellungsverfahren mittlerweile Standard. Obwohl dieses Vorgehen heute weit verbreitet ist, ist das Phänomen noch recht rezent und eine systematische Herangehensweise fehlt in den Schweizer HR-Abteilungen noch. Häufig ist dies der Unkenntnis des anwendbaren Rechtsrahmens geschuldet. Dieser Artikel erklärt den rechtlichen Rahmen in der Schweiz, der der Erstellung eines Internet-Profils gegenüber tatsächlich sehr pragmatisch eingestellt ist.

Anwendbare rechtliche Prinzipien

Wie die Einholung von Referenzen und das Durchführen von Vorstellungsgesprächen stellt auch die Suche nach Informationen über Bewerber im Internet eine Datenverarbeitung im Sinne von Art. 4 des Bundesgesetzes über den Datenschutz (DSG) dar. Es ist daher logisch, dass ebendiese Recherchen auch denselben rechtlichen Prinzipien unterworfen sind wie die anderen Schritte des Einstellungsverfahrens, namentlich der Rechtmässigkeit, dem guten Glauben, der Zweck- und der Verhältnismässigkeit. Im arbeitsrechtlichen Verhältnis, und insbesondere im Einstellungsverfahren, die Regelung des DSG vervollständigt das Obligationenrecht. Artikel 328b OR sieht nämlich vor, dass die gesammelten Daten die Fähigkeiten des Bewerbers betreffen oder zur Arbeitsausführung erforderlich sein müssen. Nach dieser Festlegung des rechtlichen Rahmens und gewisser Grenzen können wir uns auf die praktische Analyse des Internet-Auftritts des Bewerbers oder auch des Mitarbeiters einlassen.

Nachdem der rechtliche Rahmen und bestimmte Grenzen festgelegt wurden, können wir uns der praktischen Analyse der Internetpräsenz eines Bewerbers oder eines Mitarbeiters widmen.

Ist die Unterscheidung zwischen sogenannten privaten und beruflichen Netzwerken relevant?

Bei der Beurteilung des Internet-Auftritts einer Person werden sogenannte berufliche und sogenannte private Netzwerke herangezogen. Betreffend die Relevanz und die Rechtmässigkeit der Analyse beruflicher Netzwerke scheinen nur wenig Zweifel zu bestehen. Eine gewisse Zurückhaltung besteht in der Praxis allerdings gegenüber privaten Netzwerken.

Der Hauptzweck beruflicher sozialer Netzwerke ist es, den Nutzern zu ermöglichen, miteinander basierend auf ihren geschäftlichen Affinitäten oder Arbeitsbeziehungen in Kontakt zu treten. Diese Seiten ermöglichen auch häufig das Hervorstreichen der Ausbildung und des beruflichen Werdegangs, weswegen sie ein neues bevorzugtes Werkzeug in den Einstellungsverfahren darstellen. Vorzeigebeispiele in dieser Kategorie sind LinkedIn, Xing oder Viadeo. Das Recht potenzieller Arbeitgeber zur Konsultation dieser Netzwerke ist unbestritten, da die auf diesen Plattformen veröffentlichten Inhalte ausschliesslich berufsbezogener Natur sind.

Private Netzwerke sind unseres Erachtens primär auf die Mitteilung persönlicher Informationen ausgerichtet, da es sich um Fotos, Anekdoten, Interessen oder persönliche Hobbys handelt. In diesem Rahmen sind die Verbindungen unter den Nutzern oftmals freundschaftlicher oder familiärer Natur. Die wichtigsten Seiten dieser Art sind Facebook, Instagram, Twitter, oder neuerdings auch TikTok.

Die Verwendung des Begriffes «privat» ist für die meisten Netzwerken allerdings irreführend: Eine grosse Anzahl Personen nutzen diese Netzwerke auch für berufliche Zwecke, z.B. aus Marketing-Gründen oder um Dienstleistungen zu verkaufen. Zudem ist der öffentliche Zugang zur Mehrzahl dieser Netzwerke ein wesentliches Element, weswegen die Unterscheidung zwischen beruflichen und privaten Netzwerken wenig überzeugend erscheint.

Der primäre – von Nutzern und Unternehmen in der Praxis oft umgelenkte – Zweck der verschiedenen Netzwerke dient bei der Beurteilung der Relevanz und Rechtmässigkeit der Konsultation durch Personalverantwortliche nicht als Hilfestellung.

Tatsächlich wird es aufgrund des Inhalts, der Relevanz und des Enthüllungspotenzials der darin enthaltenen Informationen viel einfacher sein, die Angemessenheit eines solchen Verfahrens im Einzelfall zu beurteilen.

Nachdem der rechtliche Rahmen und bestimmte Grenzen festgelegt wurden, können wir uns der praktischen Analyse der Internetpräsenz eines Bewerbers oder eines Mitarbeiters widmen.

Die Erfahrungsregel, die sich am meisten aus der Praxis bestätigt, besagt, dass öffentliche Inhalte, auf die jeder über Google oder ohne mit der Person in privaten Netzwerken verbunden zu sein zugreifen kann, im Einstellungsverfahren berücksichtigt werden können, sofern die Person nicht formell widerspricht. Diese Regel ist im Übrigen in Art. 12 DSG verankert. Umgekehrt müssen Informationen, welche ein potenzieller Arbeitnehmer komplett privat hält, in seiner Privatsphäre verbleiben. Nach dem Wortlaut von Art. 12 Abs.1 DSG entspricht ein derartiger Verschluss einem formellen Widerspruch gegen die Datenverarbeitung, der die Verarbeitung von öffentlich gemachten Informationen generell untersagt.

Image-Management

Heutzutage sind die Marke und der Ruf eines Unternehmens oder einer Organisation Gold Wert und Fehlbesetzungen sind sehr kostspielig. Es ist daher für viele Arbeitgeber zweckdienlich, die Fähigkeiten ihrer Bewerber oder Mitarbeiter, ihre Internetprofile zu bewirtschaften und ihre persönlichen Informationen zu schützen, zu analysieren. Die Erstellung eines solchen Profils kann einerseits Fehlbesetzungen vermeiden, indem beispielsweise Bewerber aussortiert würden, die widersprüchliche oder falsche Informationen preisgeben. Andererseits kann ein solches Verfahren auch zur Begründung eines Einstellungsentscheids herangezogen werden, wenn der öffentliche Auftritt des Bewerbers einen beherrschten und generell positiven Eindruck hinterlässt.

Es ist offensichtlich, dass ein Arbeitnehmer, der seinen Arbeitgeber öffentlich kritisiert oder sich rassistisch äussert – auch in sogenannten privaten Netzwerken –, kaum für seine Kommunikationsleistungen geschätzt werden wird und ein hohes Risiko für das Unternehmen darstellt. Zum selben Schluss gelangt man bei einem in einem privaten und gesicherten Umfeld tätigen Arbeitnehmer (z.B. Kinderkrippen, Flughäfen, Industriegebiete), der Fotos von seinem Arbeitsplatz teilt.

Transparenz

Schlussendlich ist, wie bei so vielen guten HR-Praktiken, die Transparenz mit dem Bewerber oder Mitarbeiter von grösster Bedeutung. Zögern Sie daher nicht, den Verfahrensablauf zu erklären und um Zustimmung zu fragen, und im Gegenzug Ihre Beurteilung mit dem Bewerber und/oder Mitarbeiter zu teilen. Auf die Weise gewinnen alle Verfahrensbeteiligten!

Datum Erstveröffentlichung : 03.03.21

Autor: Marketing- und Sales-Team von Aequivalent